Welche Auswirkungen hat das geplante Elektrizitätswirtschaftsgesetz auf die Netzentgelte?
Netzbetreiber dürfen für ihre Dienstleistungen behördlich festgelegte Netzentgelte in Rechnung stellen. Deren Höhe wird mittels Verordnung (die „SNE-V“) von der Regulierungsbehörde E-Control geregelt. Die Netzentgelte bestehen aus leistungsabhängigen Komponenten (Euro pro kW), verbrauchsabhängigen Komponenten (Euro pro kWh) und aus Pauschalen sowie Einmalentgelten.
Das Elektrizitätswirtschaftsgesetz, das am 4. Juli 2025 als Begutachtungsentwurf vorgestellt wurde, wird neben vielen anderen Aspekten auch eine wichtige Grundlage zur Reform der Netzentgelte bilden. Die Reform ist notwendig, weil sich das Stromsystem mit zunehmender Digitalisierung, Elektrifizierung und Eigenerzeugung (vor allem mit Photovoltaik) verändert. Ziel der gesetzlichen Anpassungen sind – neben anderen Aspekten – Maßnahmen zur Dämpfung von Gesamtkosten für Instandhaltung, Betrieb und Ausbau der Netze einerseits und die verursachergerechtere Verteilung dieser Kosten andererseits. Die Änderungen sollen dafür sorgen, dass das Stromnetz modernisiert und im Betrieb bestmöglich genutzt wird.
Änderungen bei Netzentgelten sind überfällig
Durch die rasanten Entwicklungen im Energiesystem sind Veränderungen im Entgeltsystem notwendig: Zum einen haben Netzbetreiber höhere Ausgaben als noch vor einigen Jahren. Die Gründe dafür sind vielfältig: Investitionen in den Ausbau sowie die Modernisierung und Digitalisierung des Stromnetzes und Inflationsanpassungen bei Betriebskosten sowie steigende Zinsen und damit höhere Finanzierungskosten erklären steigende Netzkosten. Auch die Instandhaltung des bestehenden Netzes ist ein wesentlicher Kostenblock.
Parallel dazu verändert sich die Nutzung des Stromnetzes: Immer mehr Haushalte und Unternehmen erzeugen Strom selbst, meist mit Hilfe von Photovoltaik. Und so ist die Zahl der PV-Anlagen in den vergangenen Jahren rasant gestiegen. Aktuell erzeugen rund 450.000 Kleinanlagen mit weniger als 20 kWp Sonnenstrom zum Eigenverbrauch und speisen Überschüsse ins Netz ein – die meisten dieser Anlagen befinden sich auf Wohngebäuden. Vor fünf Jahren waren es gerade einmal 100.000. Rund 200.000 der PV-Haushalte verfügen zusätzlich über Batteriespeicher. Das ist insofern gut, da Speicherlösungen eine höhere Deckung des Eigenverbrauchs und dadurch eine günstigere Stromversorgung für diese Haushalte ermöglichen.
Mit dem Ausbau von Photovoltaik und Batteriespeichern erhöhen Haushalte und Betriebe den Grad ihrer Selbstversorgung und reduzieren so den Strombezug aus dem Netz. Nichtsdestotrotz muss auch für diese Haushalte ein ausreichender Netzanschluss zur Versorgung verfügbar sein, um sie an dunklen Wintertagen bei leerer Batterie vollständig beliefern zu können. Ungeachtet der Tatsache, dass etwaige Netzverstärkungen für die Einspeisung oder neue Verbraucher, wie Ladestationen oder Wärmepumpen, auch für diese Haushalte erforderlich sind.
So positiv die zunehmende Eigenversorgung mit PV-Strom ist, sie hat auch Auswirkungen auf die Netzentgelte, denn ein Großteil der Netzkosten wird aktuell über aus dem Netz entnommene Strommengen finanziert, ist also verbrauchsbezogen (in Cent pro kWh).
Mittel- und langfristig werden Stromverbrauch und Netzbezug durch die stärkere Nutzung von Wärmepumpen, Elektroautos und die Elektrifizierung der Industrie zunehmen, und damit auch die Menge, auf die Netzkosten verteilt werden können. Kurzfristig müssen steigende Netzkosten aber auf eine schrumpfende Bezugsbasis umgelegt werden. Das führt dazu, dass Haushalte ohne eigene Stromerzeugung – also klassische Verbraucher:innen – einen größeren Anteil der Infrastrukturkosten tragen. Aktuell werden laut E-Control rund 94 % der Netzkosten von Entnehmer:innen getragen.
Um die Systematik der Netzentgelte an diese und weitere Entwicklungen anzupassen, sieht das Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) zwei wesentliche Änderungen zur Reformierung von Netzentgelten vor:
- Die Struktur der Netzentgelte wird weiterentwickelt (siehe Abbildung unten): Das Netznutzungsentgelt soll künftig nicht nur von Entnehmer:innen, sondern auch von Einspeiser:innen eingehoben werden. Darüber hinaus werden Netzzutrittsentgelt und Netzbereitstellungsentgelt in ein neues Netzanschlussentgelt zusammengeführt, das Systemdienstleistungsentgelt wird in einem neuen Regelleistungsentgelt aufgehen.
- Die Netzentgelte sollen dafür sorgen, dass das Stromnetz von allen Nutzer:innen effizienter und schonender genutzt wird, ein so genannter „systemdienlicher Betrieb“ soll beanreizt werden. Ermöglicht werden kann das, indem zeitvariable, lastvariable und/oder leistungsabhängige Aspekte der Netzentgelte stärker als bisher gewichtet werden. Diese Entgelte sollen schlussendlich dafür sorgen, dass die Belastung von Netzen reduziert und die Infrastruktur bestmöglich ausgenutzt wird. Sie sind auch eine wichtige Grundlage dafür, dass etwa „aktive Kund:innen“ ihre Photovoltaik-Anlagen – immer öfter in Kombination mit Batteriespeichern – stromkostenreduzierend UND netzschonend betreiben. Auch für den systemdienlichen Einsatz von Ladestationen oder Wärmepumpen sowie anderen stromverbrauchenden Geräten ist diese Änderung bei den Netzentgelten wichtig.
Die nächsten Schritte bei der Reform der Netzentgelte
Die konkrete Ausgestaltung der neuen Entgelte obliegt EU-rechtlich der E-Control, die Änderungen werden dem ElWG-Entwurf nach mit der Systemnutzungsentgelte-Grundsatzverordnung und einer Systemnutzungsentgelte-Tarifeverordnung umgesetzt. Die Thematik ist komplex und bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Verursachergerechtigkeit, fairer Finanzierung, marktkonformer Ausgestaltung, Investitionssicherheit und Systemeffizienz. Die Einbindung der betroffenen Akteur:innen ist daher zentral.
Die E-Control rechnet damit, dass die wesentlichsten Änderungen bei Netzentgelten mit 1. Jänner 2027 in Kraft treten können, vorbehaltlich eines zeitnahen ElWG-Beschlusses. Über die Netzentgeltreform hinaus kann die E-Control Änderungen auch bei der Systematik zur Ermittlung von Netzkosten umsetzen. Der ElWG-Entwurf räumt der Regulierungsbehörde etwa die Möglichkeit ein, Anpassungen bei der Abschreibungsdauer von Investitionen in das Stromnetz vorzunehmen: Wird diese verlängert, verteilen sich die Kosten über einen längeren Zeitraum, und die Höhe der Netzentgelte sinkt.
Anteil der Netzkosten an der Stromrechnung
Mehr als ein Drittel der Stromrechnung (inklusive 20 Prozent Umsatzsteuer) entfällt bei aktuellen Angeboten auf die Netzkosten, bei einem exemplarischen oberösterreichischen Haushalt mit Wärmepumpe sind es 36 Prozent (bei Jahresgesamtkosten für Strom von rund 1.600 Euro). Ein durchschnittlicher Wiener Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 3.500 Kilowattstunden und Stromkosten von rund 1.100 Euro kommt auf einen Anteil der Netzkosten von 39 Prozent.
So wird das Stromnetz heute finanziert
Stromnetzbetreiber finanzieren Ausbau, Betrieb und Instandhaltung ihrer Infrastruktur über Entgelte von Netznutzer:innen. Da Stromnetze volkswirtschaftlich als natürliche Monopole gelten, werden diese reguliert. So werden die Höhe und Ausgestaltung der Entgelte von der unabhängigen Regulierungsbehörde – in Österreich ist das die E-Control – festgelegt. Die Komponenten sowie die unterschiedlichen Gruppen, die Netzentgelte zahlen, sind gesetzlich definiert.
Aktuell gilt laut E-Control:
- Das Netznutzungsentgelt deckt dem Netzbetreiber die Kosten für Errichtung, Betrieb, Instandhaltung und Ausbau des Netzsystems ab. Es wird in leistungs- und verbrauchsabhängige Bestandteile aufgeteilt. Diese Komponente stellt 2025 fast 80 Prozent der gesamten Netzkosten Österreichs (2025 laut E-Control rund 3 Milliarden Euro). Das Netznutzungsentgelt wird aktuell ausschließlich von Verbraucher:innen getragen. Mit dem neuen ElWG wird der Zahler:innenkreis um Einspeisende erweitert.
- Mit dem verbrauchs- bzw. einspeiseabhängigen Netzverlustentgelt werden Energiemengen beschafft, die für den Ausgleich von Netzverlusten notwendig sind. Es macht etwas weniger als 10 Prozent der gesamten Netzkosten von rund 3 Milliarden Euro aus. Es wird etwa in gleichen Teilen von Einspeiser:innen (größer 5 MW) und Verbraucher:innen getragen.
- Direkt zuordenbare Kosten für die Errichtung und den Betrieb von Zähleinrichtungen, die Eichung und Datenauslesung werden mit dem pauschalierten Entgelt für Messleistungen abgegolten. Es macht rund 5 Prozent der gesamten Netzkosten aus und wird primär von den Verbraucher:innen getragen.
- Das Netzzutrittsentgelt und das Netzbereitstellungsentgelt sind einmalig beim Anschluss an ein Netz oder etwa bei der Erhöhung der Leistung eines Anschlusses zu zahlen. Sie tragen zu etwa 5 Prozent zur Deckung der gesamten Netzkosten bei. Künftig werden diese beiden Komponenten zu einem Netzanschlussentgelt zusammengefasst.
- Weitere Beiträge kommen von Systemdienstleistungsentgelten (zukünftig: Regelleistungsentgelt) und Entgelten für sonstige Leistungen.
Die Höhe der Entgelte wird von der Regulierungsbehörde E-Control per Verordnung festgelegt, sie variieren je nach Netzbereich. Einspeiser:innen tragen laut E-Control aktuell nur etwa 6 Prozent zur Deckung der Netzkosten bei, den großen Rest Haushalte, Unternehmen und andere Verbraucher:innen, so genannte „Entnehmer:innen“.